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Betulinsäure

Zusammenfassung
Betulinsäure ist ein Naturstoff aus Pflanzen. Als Apoptose-Auslöser und spezifischer Wirkstoff gegen Melanomzellen wird Betulinsäure derzeit intensiv untersucht. Außerdem hemmt Betulinsäure die Vermehrung von AIDS-Viren. Betulinsäure wird durch eine mehrstufige Oxidation aus Betulin gewonnen, das zuvor aus Birkenrinden isoliert werden muss. Durch das aufwendige Verfahren ist Betulinsäure sehr teuer. Wir haben ein Verfahren zur kostengünstigen und umweltschonenden direkten Gewinnung von Betulinsäure entwickelt, bei dem Platanenborke verwendet wird, ohne dass Bäume gefällt und entrindet werden müssen.
Gruppenbild mit Platane
Dipl. Pharm. Tino Galgon,
Prof. Dr. rer. nat. Birgit Dräger, Institut für Pharmazeutische Biologie, Universität Halle-Wittenberg,
BioSolutions Halle GmbH

Betulinsäure und Apoptose in Krebszellen

Betulinsäure ist eine Triterpencarbonsäure (Abbildung 1). Der Name stammt von dem entsprechenden Alkohol Betulin, der aus Birkenrinde (Betula pendula und andere Arten) gewonnen wird. Betulinsäure selbst kommt in Birkenrinde allenfalls in Spuren vor. Betulinsäure wurde in vielen anderen Pflanzengeweben gefunden, allerdings immer nur in kleinen Mengen, und im Gemisch mit anderen ähnlichen Triterpenen.
In den letzten 5 Jahren ergaben sich aus Screening-Programmen einige interessante Wirkungen von Betulinsäure. Die wichtigsten sind:

  • Die Vermehrung des AIDS-Virus wird durch Betulinsäureamide verhindert. Vermutlich wird das Eindringen des Virus in die Zellen unterbunden, dies ist ein neuartiger Wirkmechanismus [1].
  • Melanomzellen werden durch Betulinsäure spezifisch abgetötet [2]. Neuroblastomzellen und Zellen aus malignen Gehirntumoren sterben ebenfalls unter Betulinsäureeinfluss. In den Krebszellen wird die Apoptose, der programmierte Zelltod eingeleitet [3]. In diesen ersten Untersuchungen erwies sich Betulinsäure als unwirksam auf normale Zellen und als untoxisch für Versuchstiere.

Betulinsäure – ein schwer erhältlicher Naturstoff

Die Beschaffung von Betulinsäure ist derzeit schwierig. Die Vollsynthese kommt wegen des komplizierten Ringgerüstes mit zahlreichen chiralen Kohlenstoffen ökonomisch nicht in Frage. Die Oxidation aus Betulin ist der derzeit bevorzugte Weg. Jedoch muss Betulin zuerst aus Birkenrinde isoliert und in einem mehrstufigen Verfahren unter Verwendung von Schutzgruppen derivatisiert werden. Entsprechend hoch ist der Preis für 1 Gramm reine Betulinsäure im Spezialchemikalienhandel (ca. 1000 – 10 000 DM).
Die direkte Isolierung aus Pflanzengeweben war bislang nicht im großen Maßstab praktikabel, weil die Konzentration darin als zu gering angesehen wurde. Zudem handelt es sich bei den beschriebene Pflanzen meist um schwer zugängliche und hier nicht kultivierte Bäume. In den meisten Berichten über Betulinsäurevorkommen wird der Gehalt in den Pflanzengeweben nicht angegeben, aber aus den Ausbeuten nach der Isolierung, die z.B. mit 0,03% oder 0,14% beziffert werden, kann man abschätzen, wie gering die Konzentration zu Anfang war oder wie hoch der Verlust bei der Reinigung. Erschwerend ist hier, dass Betulinsäure von ähnlichen Triterpenen, die in den Pflanzengeweben enthalten sind, mühsam durch Säulenchromatographie abgetrennt werden muss.
Die bislang höchsten Gehalte an Betulinsäure wurden in Baumrinden gefunden. Hier zeichnet sich eine weitere Schwierigkeit ab. Ähnlich wie z.B. bei Taxol® aus Eiben müssen für die Gewinnung die Bäume gefällt und entrindet werden. Während Birken hier häufig vorkommen und schnell wachsen, ist das bei den Bäumen, deren Rinde Betulinsäure enthält, nicht der Fall. Für die Gewinnung großer Mengen Betulinsäure direkt aus Baumrinden muss man demnach Probleme wie bei der Taxolgewinnung voraussehen: Für ein Kilogramm Taxol müssten ca. 2000 Eiben gefällt werden.
Anders stellt sich die Situation bei Platanen dar. Platanen (Platanus acerifolia) sind in Europa häufig angepflanzte Allee- und Parkbäume (Abbildung 2). Charakteristisch für Platanen ist, dass sie jährlich im Herbst nicht nur ihre Blätter, sondern auch mehr oder weniger große Teile ihrer Borke abwerfen. Die neue Borke, die an den abgeschälten Stellen nachwächst, ist heller als die alte, so kommt das typische gescheckte Aussehen der Baumstämme und Äste zustande (Abbildung 3). Der Borkenabwurf der Bäume schwankt etwas von Jahr zu Jahr und ist abhängig von der Sorte der gepflanzten Bäume. Bei einer großen Platane kommen in jedem Jahr einige Kilogramm Borke zusammen. Sie werden normalerweise zusammen mit den Blättern im Herbst als Gartenabfall eingesammelt.

Betulinsäure –Rohstoff in Parks und Gärten

In dieser Borke ist Betulinsäure enthalten. Der Gehalt an Betulinsäure ist mit 2,4% in der Trockenmasse hoch, verglichen mit anderen Baumrinden, die wir ebenfalls untersucht haben (Abbildung 4). Ein weiterer Vorteil bei der Nutzung der Platanenborke ist die einfache Isolierungsmethode. Begleitstoffe lassen sich durch wenige präparative Schritte abtrennen (Abbildung 5). Die erhaltene Betulinsäure ist sehr rein. Geprüft wird sie mit GC, GC-MS und NMR [4]. Rückgewinnung von Lösemitteln und geringer Energieeinsatz führen zu einer umweltschonenden Gewinnungsmethode für Betulinsäure. Das Verfahren ist patentiert [5]. Betulinsäure wird durch die BioSolutions Halle GmbH verkauft.

Betulinsäure – ein spezifisches Therapeutikum bei Melanom?

In kultivierten Hautzellen und an exzidierter Haut wird von uns derzeit untersucht, ob und mit welchen Charakteristika durch Betulinsäure die Apoptose eingeleitet wird. Therapeutisch wichtiger noch sind die Untersuchungen zur Spezifität der Wirkung: Werden ausschließlich entartete Zellen von Betulinsäure zur Apoptose geführt? Wie reagieren normale Hautzellen? [6].
Die Ergebnisse dieser Untersuchungen werden die Grundlage bilden für weitere Untersuchungen zum Einsatz dieses Naturstoffes oder Derivaten davon gegen Melanom und andere Tumoren.

Literatur:

[1] Evers, M., Poujade, C., Soler, F., Ribeill, Y., James, C., Lelievre, Y., Gueguen, J.C., Reisdorf, D., Morize, I., Pauwels, R., De-Clercq, E., Henin, Y., Bousseau, A., Mayaux, J.F., Le-Pecq, J.B., Dereu, N.: J. Med. Chem. 39, 1056-1068 (1996)
[2] Pisha, E., Chai, H., Lee, I.S., Chagwedera, T.E., Farnsworth, N.R., Cordell, G.A., Beecher, C.-W.W., Fong, H.-H.S., Kinghorn, A.D., Brown, D.M., Wani, M.C., Wall, M.E., Hieken, T.J., Das-Gupta, T.K., Pezzuto, J.M.: Nature Medicine 1, 1046-1051 (1995)
[3] Fulda, S., Jeremias, I., Steiner, H.H., Pietsch, T., Debatin, K.M.: Int. J. Cancer 82, 435-441 (1999)
[4] Galgon, T., Hoeke, D., Draeger, B.: Phytochem. Analysis 10, 187-190 (1999)
[5] Dräger, B., Neubert, R., Galgon, T., Wohlrab, W. : Deutsches Patent Nr. DE 197 13768 A1, offengelegt 8. 10. 1998, US Patentanmeldung Nr. 09/310,163, Canads. Patentanmeldung Nr. 2,271,965
[6] Galgon,T., Riemschneider, S., Podhaisky, H.-P., Wohlrab, W., Dräger, B: Betulinic acid as inducer of apoptosis in human skin cell culture (in press).

Autoren

Birgit Dräger
Studium der Pharmazie in Münster,
1981 Approbation als Apothekerin,
1986 Promotion in Biochemie der Pflanzen,
1991 Fachapothekerin für Pharmazeutische Analytik,
1995 Habilitation für Pharmazeutische Biologie,
seit 1996 Professur für Biogene Arzneistoffe an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Tino Galgon
Studium der Pharmazie in Halle,
1997 Approbation als Apotheker,
1997 Diplom in Pharmazie "Isolierung von Betulinsäure - Qualitative und quantitative Analysenmethoden",
seit 1997 Doktorarbeit zur Spezifität von Betulinsäure bei der Apoptoseauslösung in Hautzelllinien


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